»Flüchtlingsunterkunft am Senefelder Ring ist menschenunwürdig«
Reinbeks Verwaltung fehlen Wohnungen für Flüchtlinge
, von Kerstin Völling
Die Flüchtlingsinitiative Reinbek fordert die sofortige Auflösung der Flüchtlingsunterkunft am Senefelder Ring. »Diese Unterkunft ist einfach menschenunwürdig«, kritisierte Initiativen-Sprecher Roderich Ziehm in der jüngsten Stadtverordnetenversammlung. Es gebe in der Unterkunft kein Rückzugsgebiet zum Lernen und keinen Aufenthaltsraum. Ferner seien die Schlafräume überbelegt. Trotzdem zahle ein Mann für ein Bett 400 Euro. Das sei nicht nachvollziehbar, sondern Mietwucher.
»Ein junger Mann ist gerade an seinem 18. Geburtstag aus einem wohlbehüteten Bereich eines Jugendheimes, in dem er ein Einzelzimmer hatte, mit drei älteren Männer im Senefelder Ring zusammengesteckt worden«, berichtete Ziehm. Von diesen drei Männern sei einer sehr stark alkoholgefährdet. »Da liegen Dosen in einer nicht unerheblichen Menge unterm Bett herum«, so Ziehm. Es könne nicht angehen, dass man junge Menschen so unterbringe. »Wenn der da nicht schnellstens rauskommt, ist der junge Mann für die Ewigkeit verloren«, befürchtet Ziehm.
Ferner seien in den vergangenen Wochen zwei Personen dem Senefelder Ring zugewiesen worden, die in einen Raum mit unter anderem einem Nachtschichtarbeiter gekommen seien. »Der nachtarbeitende Flüchtling hat sich ganz massiv beschwert, dass vier Personen in einem Raum unzumutbar seien«, sagte Ziehm. Da die Neuzugänge keine Rücksicht auf ihn genommen hätten, sei es schließlich zum Eklat und einem Polizeieinsatz gekommen, der nach Ziehms Meinung durch eine adäquate Unterbringung hätte vermieden werden können. »Der Senefelder Ring sollte 2018 schon aufgelöst werden. Das wurde uns versprochen. Das ist bis heute nicht umgesetzt«, kritisierte der Initiativen-Sprecher. Es lebten dort Menschen, die mittlerweile weit über zwei Jahre in der ursprünglichen »Übergangslösung« verbringen müssten. »Wir haben es mit Menschen zu tun und nicht mit Material«, betonte Ziehm.
Bürgermeister Björn Warmer bedankte sich für die Ausführungen und bezeichnete die Flüchtlingsunterkunft am Senefelder Ring als »Wunde, in die auch mal der Finger gelegt werden muss.« Warmer:« Das war ein Projekt gewesen gegen Ende der stark anschwellenden Flüchtlingsströme, eigentlich die letzte Entscheidung, kurz bevor wir Turnhallenbetten hätten in Anspruch nehmen müssen. Das wollten wir nicht.« Deshalb sei man zur Not in diese umgebaute Fahrzeughalle ausgewichen. »Dies ist und bleibt keineswegs die Art und Weise einer Unterkunft, die sich die Stadt vorstellt.« Der Verwaltung brächen jedoch immer mehr jene Menschen weg, die Wohnungen für Flüchtlinge bereitstellen wollten.
Bürgeramtsleiter Torsten Christ hatte bereits im zuständigen Ausschuss erwähnt, dass Wohnangebote für Flüchtlinge besonders stark nachgelassen hätten, nachdem Presseartikel im vergangenen November Reinbeker Flüchtlinge pauschal mit Wohnungsschäden in Verbindung gebracht hatten. Die Flüchtlingsbetreuer der AWO haben im Reinbeker vom 11. März diesen Darstellungen bereits weitgehend widersprochen.
»Appelle, uns Wohnungen für Flüchtlinge anzubieten, nützen schon seit Langem nicht mehr«, sagte nun auch der Bürgermeister. Man habe unter anderem versucht, mit dem »Mietführerschein« (der Reinbeker berichtete) Stück für Stück Vertrauen von Wohnungsvermietern wiederherzustellen. »Doch die Entwicklungen, die wir überhaupt nicht zu verantworten haben, müssen wir jetzt ausbaden«, sagte er. Man könne daher die Auflösung der Flüchtlingsunterkunft am Senefelder Ring per se nicht zusagen. »Aber die Absicht haben wir ganz eindeutig«, so Warmer. Zunächst wolle die Verwaltung jedoch gern aufklären.
Ziehm hatte vorab die Lokalpolitik eingeladen, sich die Unterkunft vor Ort anzusehen. Lediglich Tomas Unglaube (SPD ) war zur Begehung gekommen. Christoph Kölsch (CDU) merkte an, dass ihm die Einladung nicht bekannt gewesen sei. Weitere Politiker bestätigten die Erfahrung von Kölsch.
Unglaube sieht die Forderung der Flüchtlingsinitiative kritisch: »Wir brauchen die Unterkunft am Senefelder Ring als Puffer, auch für die Flüchtlinge, die der Stadt Reinbek künftig kurzfristig zugewiesen werden«, sagte er. Auf dem Wohnungsmarkt würde man nicht so schnell Unterkünfte bekommen. Das Thema werde auf seine Initiative hin im kommenden Sozial- und Schulausschuss ausführlich behandelt. Insbesondere soll dann diskutiert werden, was an der Flüchtlingsunterkunft am Senefelder Ring und der Betreuung in der Unterkunft verbessert werden müsse.