Menschen bei uns
»Dass die Kinder ihren eigenen Weg finden«
, von Christa Möller
Wentorf – Schon als Jugendlicher engagierte Björn Christiansen sich in kirchlichen Kinder- und Jugendgruppen, außerdem organisierte und betreute er Jugendfreizeiten in Dänemark und Schweden. Sein Berufsweg verlief nicht ganz gerade, aber folgerichtig, und so machte der gebürtige Wolfsburger nach der Mittleren Reife an einer Gesamtschule erstmal eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann in einem Autohaus. Doch schon währenddessen wurde ihm klar, dass er nicht bis zur Rente Autoteile verkaufen wollte. Nachdem sein Ausbildungsbetrieb ihn im Anschluss nicht übernommen hatte, folgte der Gang zum Arbeitsamt. Auf Anregung des Beraters entschied sich Christiansen für ein Kindertagesstätten-Praktikum, holte in der Erwachsenenbildung das Abitur nach und studierte dann in Lüneburg Sozialpädagogik. Seine Berufswahl hat der 47-Jährige noch nicht bereut. In Hamburg arbeitete er in der ambulanten Kinder- und Jugendhilfe, war ab 2010 bei der MIKO Kinder- und Jugendhilfe tätig, hat dort ab November 2013 die temporäre Lerngruppe für sechs bis zehn psychisch kranke Schüler mit aufgebaut und sie betreut, bis sie nach jeweils einem Jahr auf eine Regelschule kamen.
Im Herbst vergangenen Jahres reizte ihn jedoch der Wechsel in ein ganz anderes Aufgabengebiet: An der Wentorfer Gemeinschaftsschule ist er seither 35 Wochenstunden als Schulsozialarbeiter tätig und verstärkt jetzt das Angebot seiner Kollegin Kay Tangermann. Dort hat er sich bereits in den Klassen vorgestellt und einige der rund 500 Schüler auch beratend kennengelernt. »Es ist eine ganz andere Arbeit. Ich habe den Eindruck, dass die schulischen und gesellschaftlichen Anforderungen an die Kinder und Jugendlichen deutlich gestiegen sind«, sagt Christiansen. Oft würden die Eltern erwarten, dass die Schüler gut funktionieren, weil sie glauben, dass man ohne Abi nichts werden könne in der Gesellschaft. »Ich weiß, dass es auch ohne Abitur Möglichkeiten gibt, eine erfüllende berufliche Laufbahn einzuschlagen.« Die Jugendlichen würden häufig gar nicht gefragt, was sie wollen. Das Elternhaus spielt eine große Rolle, aber Orientierungslosigkeit habe auch andere Ursachen. »Die Kinder müssen lernen, einige Dinge selbst zu entscheiden, gerade, wenn es um den Berufsweg geht.« Sozialpädagogen könnten nur Empfehlungen abgeben. »Ich versuche, den Schülern beizubringen, dass es letztendlich egal ist, was sie beruflich tun, aber dass sie etwas machen, das ihnen Spaß bringt.«
Zu ihm kommen Schüler mit Problemen ebenso wie Lehrer, denen auffällt, dass Schüler Unterstützung benötigen. Der eine kann dem Mathe-Unterricht nicht mehr folgen und traut sich nicht zu fragen, der andere stört häufig. Manchem Schüler mangelt es, verstärkt durch die Corona-Zeit, an kompetentem Sozialverhalten: »Der höfliche, respektvolle Umgang mit anderen, sie ausreden lassen, zuhören…«. Auch da gilt es, im Gespräch Lösungswege zu finden. »Ich bin für alles da, was Kinder und Jugendliche bewegt«, sagt der Pädagoge bezüglich der Fragen, mit denen die Schüler zu ihm kommen. »Manchmal geht es einfach darum, loszuwerden, was sie in dem Moment bewegt.« Das gilt nicht nur für den Schulalltag, sondern auch bei Streit mit Freunden oder Stress mit Eltern und Geschwistern suchen einige Schüler Hilfe. »Ich habe nicht das hehre Ziel, von jetzt auf gleich die Welt zu verändern«, betont Christiansen. »Ich bin jedoch sicher, dass ich so mit Kindern und Jugendlichen arbeiten kann, dass sie ihren eigenen Weg finden.«
Der Diplom-Sozialpädagoge freut sich, wenn er erfährt, dass er helfen konnte. »Ich glaube an das Gute im Menschen, dass in jedem etwas Gutes steckt. Ich wünsche mir, dass ich Kindern und Jugendlichen, die antriebs- und orientierungslos durch die Welt schlendern, eine gewisse Orientierung bieten kann.«
Freie Zeit verbringt der 47-Jährige gern bei Rock-, Metal- und Punk-Rock-Konzerten, hat Spaß am Fotografieren (»Landschaften, Tiere, Gebäude«) mit einer funktionellen Systemkamera und genießt kleine Fluchten aus dem Alltag mit dem Wohnmobil. »Wasser ist ganz wichtig, an der Elbe, an der Nord- oder Ostsee…« Derzeit ist er auf der Suche nach einem neuen Fahrzeug, damit er wieder unterwegs sein kann. »Norwegen, Schweden, Frankreich – andere Kulturen kennenlernen – das ist immer ein Ausschnitt, den wir da sehen. Wir sind dann ja deutlich entspannter mit anderen.« Ihn begeistern zerklüftete Küsten, lange Fjorde – »das ist ein anderes Gefühl, als wenn man in Deutschland unterwegs ist.« Oft fährt er auch nach Amsterdam, nicht als typischer Tourist, sondern um Freunde zu besuchen. Zuhause bringen ihm Fernsehabende Entspannung. Er guckt gern Serien, »meistens mit Action und Spannung, Horror- und Psychothriller, aber auch Komödien.«