Menschen bei uns
»Aufgeben ist keine Option«
, von Christa Möller
Wentorf – Elitäre Angelegenheit, nur für ältere Herrschaften, gar kein richtiger Sport: Mit diesen Vorurteilen gegenüber seiner Lieblingsfreizeitbeschäftigung will Patrick Narr aufräumen. Der 47-Jährige ist seit Juli 2018 Vorsitzender des Wentorf-Reinbeker Golf-Clubs. Das ist ein Verein mit Geschichte, wurde er doch schon 1901, also vor rund 120 Jahren, gegründet – als erster Hamburger Golfclub und viertältester Golfclub in Deutschland. Noch in den 1950er Jahren durften nur Hanseaten Mitglied werden, man wollte »unter sich bleiben«, wie in der Broschüre zum 111-jährigen Bestehen nachzulesen ist. Deutschlands erfolgreichster Amateurgolfer Erik Sellschop war dort Mitglied.
Patrick Narr hat mal Fußball und dann Tennis und Hockey gespielt. Als er Letzteres aufgrund von Knieproblemen 1993 zunächst einschränken musste, wollte er mit dem Golfsport in Wentorf anfangen. »Das war damals gar nicht einfach, weil dieser Club sehr elitär war und keine Jugendlichen ohne Eltern aufgenommen hat«, erinnert er sich zurück. Doch er ließ sich nicht abschrecken und schaffte es. Zahlten Erwachsene damals noch eine Aufnahmegebühr von 10.000 D-Mark, ist heute nur der Jahresbeitrag von 1.200 Euro zu entrichten. Auch weitaus ältere Mitglieder, die seit Jahren erfolgreich Hockey spielten, erzählen noch heute, dass sie in den 1960er Jahren vergeblich versucht hätten, in diesen Club zu kommen. Im Laufe der Zeit gab es Lockerungen – nicht zuletzt mit Blick auf den 1985 gegründeten Golf Club in Dassendorf.
Inzwischen hat der Wentorf-Reinbeker Golf-Club 630 ordentliche Mitglieder und 350 fördernde, passive und jugendliche Mitglieder. Das Durchschnittsalter liegt derzeit bei 59 Jahren, gegolft wird einzeln oder in Mannschaften. Nicht zuletzt die Zahl der jüngeren, die einen ermäßigten Beitrag zahlen, soll steigen, es gibt schon seit Längerem Kurse an Schulen und Tage der offenen Tür und der Verein präsentiert sich zeitgemäß beispielsweise auf Instagram.
Die aktiven Spieler profitierten in der vergangenen Saison davon, dass zwischen dem ersten Lockdown vom 14. März bis 4. Mai und dem zweiten Lockdown seit dem 16. Dezember weitergespielt werden konnte, wie Patrick Narr sagt. Viele Menschen entdeckten die Sportart auch erst zu dieser Zeit für sich, ist Golf spielen doch draußen und mit Abstand möglich. Jetzt allerdings ist das Golf spielen in Schleswig-Holstein im Gegensatz zum Nachbarland Niedersachsen untersagt. Übrigens ist die Gastronomie im Golf Club bis auf den Außer-Haus-Verkauf ebenfalls geschlossen. Im Januar sind allerdings dort Betriebsferien. Zur Pflege des Rasens ist ein umfangreicher Maschinenpark vonnöten, gerade gibt es Überlegungen zur Anschaffung von speziellen Mährobotern.
Nicht nur der Sport, sondern auch das ehrenamtliche Engagement im Vorstand macht dem Vorsitzenden Spaß. Das Vorstandsteam ergänze sich gut, sagt Patrick Narr, dem derzeit nur der Garten zum Üben von Golfschwüngen bleibt. »Ich habe eine kleine Kunstrasenmatte, von der ich die Bälle chippe«, verrät der 47-Jährige, der an seinem Sport besonders die Steigerungsmöglichkeiten schätzt, »dass man auch mit 55 noch besser spielen kann als mit 45. Im vergangenen Jahr habe er mit einem 82-Jährigen einen Vierer gespielt und auch gewonnen. »Schön ist auch, dass man in der Familie miteinander Golf spielen kann«, sagt er mit Blick auf seine Frau und die beiden Kinder. Durch sein Ehrenamt sieht er eine Chance, das Golf spielen wie im Nachbarland Schweden, wo es kein elitäres Gesellschaftsspiel sei, mehr zum Breitensport zu machen. Patrick Narr fasziniert die mentale Seite des Golfens, ein sehr taktischer Sport und die Komplexität der Bewegungen ist nach Bogenschießen die schwierigste überhaupt. »Man spielt viel mehr schlechte Runden als gute. Ein Klischee kennt er gar nicht: Unternehmerische Geschäftstransaktionen habe er beim Golfen noch nie besprochen.
Der gebürtige Hamburger ist in Aumühle aufgewachsen, wo er mit seiner Familie seit zehn Jahren wieder lebt. Er hat in Hamburg und Kiel Jura studiert und war während des Referendariats fünf Monate in Kapstadt. Südafrika sei ein tolles Land. Im vergangenen Jahr plante die Familie erstmals eine große Amerika-Reise, die dann Corona bedingt ausfallen musste. Für dieses Jahr hoffen die vier, dass der jährliche zweiwöchige Sommerurlaub auf der Lieblingsinsel Föhr wieder möglich sein wird. Von 2002 bis 2017 war Patrick Narr in einer amerikanischen Kanzlei tätig, die damals gerade mit einer Hamburger Anwaltskanzlei fusioniert hatte, inzwischen ist er für eine englische Kanzlei in Hamburg tätig. Den 75-minütigen Arbeitsweg bewältigt er gern mit seinem E-Bike. »Das ist eine coole Sache«, sagt er. Das erste Mal habe er sich gefühlt wie damals als Schüler. »Frische Luft, zwitschernde Vögel, das waren Eindrücke, die ich total vergessen hatte.« Entspannung findet er außer auf dem Golfplatz auch beim Lesen von Biografien. Als Vorbilder nennt er den Spanier Severiano Ballesteros, der als erster europäischer Golfer in Amerika erfolgreich war, und ansonsten Winston Churchill, der viel erreicht habe, sowie seinen Vater, der häufig als Scheidungsanwalt tätig war. Sein berufliches Tätigkeitsfeld liegt in einem ganz anderen Bereich und nie vor Gericht: »Ich versuche, durch Verträge zu gestalten. Es geht darum, Menschen den Eindruck zu vermitteln, das schaffen wir schon und im Rahmen der Gesetze eine Lösung zu finden.« Dazu passt seine Lebensphilosophie: »Aufgeben ist keine Option.«