Menschen bei uns
Für Klaus Köhn ist sein Engagement eine Frage der Menschenrechte
, von Imke Kuhlmann
Neuschönningstedt – Der 71-jährige wurde in Reinbek geboren. Beruflich machte Klaus Köhn an vielen Orten Station. Auch der Kamerun (Afrika) gehörte dazu. Durch seine damalige Frau bekam er Kontakt zu Amnesty International. »Wenn man sieht, was in Europa und der Welt passiert, dann muss man einfach helfen«, so sein Fazit. Doch bei seinem Engagement dort fehlte ihm der direkte Kontakt zu den Menschen und so kam er Jahre später zur Neuschönnigstedter Flüchtlingshilfe.
Über viele Jahre engagierte er sich bei Amnesty. Zu der Zeit lebte Köhn noch in Geesthacht. Jahre später zog es ihn zurück nach Reinbek. Als er 2015 von der Neuschönningstedter Flüchtlingshilfe las, dauerte es nicht lange, dann war er mittendrin. Seit dem ist er unermüdlich dabei und investiert täglich drei bis vier Stunden seiner Zeit, um Geflüchtete in ihrem Alltag zu unterstützen.
»Mit dem Flüchtlingsstrom 2015 kamen viele der Menschen zu uns nach Deutschland«, sagt der ehemalige Einkaufsleiter einer Baustofffirma. Sein Kontakt zu den Geflüchteten beginnt meist mit der Begrüßung am Ankunftsort. »Die Menschen haben lange Anreisen hinter sich, beziehen neue Unterkünfte, kommen in eine ganz andere Kultur. Da müssen sie sich erstmal reinfinden. Sie bekommen von uns zuerst einen Beutel mit Lebensmitteln«, sagt er. Brot, Bananen, Tee sind unter anderem dabei. Nach den ersten Begegnungen gibt es Erklärungen für die täglichen Fragen. Die ersten Wege werden gemeinsam gegangen. »Wie komme ich zum Rathaus? Wo ist die Bank? Wo melde ich mich, wenn ich Probleme habe?« Doch vor allem ginge es ihm darum, dass sie die Sprache lernen. Die Sprache sei der Schlüssel zur »neuen Lebenswelt«.
Köhn stellt fest, dass die für uns einfachsten Dinge für Geflüchtete eine große Herausforderung sein können. »Wie schwierig es ist zu telefonieren, wenn die Sprache nicht richtig beherrscht wird, können wir uns nicht so recht vorstellen«, sagt er. Zudem fehle auch die Mimik, die fehlende Sprachkenntnisse überbrücken könne. Und so sitzt er das ein oder andere Mal daneben, wenn ein wichtiges Telefongespräch geführt werden muss. »Die Konsequenz ist dann häufig, dass die Menschen aus Scheu nichts tun und das ist die schlechteste aller Entscheidungen«, sagt der Vater zweier erwachsener Kinder und Großvater zweier Enkelkinder.
»Ab und an entwickeln sich so schöne Kontakte. Dadurch bekomme ich so viel zurück«, so der Reinbeker. Zudem wäre die Flüchtlingshilfe ebenso ein Lernprogramm, über ferne Länder und deren Kulturen und das passt zu seinem Interesse an anderen Ländern. Die Menschen haben alle ihr eigenes Leben, ihre Berufe und somit ihre Geschichte. »Sie waren ja nicht immer Geflüchtete«, sagt er. Darüber erfährt er auch viel in der Männergruppe, die er gegründet hat. Mit ihnen traf er sich regelmäßig, bis Corona kam.
Ohne mit der Wimper zu zucken, ist er zur Stelle, wenn Hilfe gebraucht wird, auch wenn es am Wochenende oder feiertags ist. Die Uhr ließe sich nicht danach stellen, wann Unterstützung notwendig sei. Für Köhn ist sein Engagement eine Frage der Menschenrechte. Er selbst kenne aus seiner Herkunftsfamilie eine Flüchtlingsvergangenheit und er wisse von vielen Menschen mit Fluchterfahrungen.
Für den 71-jährigen ist die Unterstützung Geflüchteter eine Herzensangelegenheit. Sein Ehrenamt sei für ihn die Dankbarkeit darüber, dass es ihm gut gehe und die möchte er mit anderen teilen.
Die Neuschönningstedter Flüchtlingshilfe ist kein Verein. Sie ist an die Stadt angebunden. Dadurch sei er auf seinen Wegen auch versichert. Der Rest ist Ehrenamt. Köhn kann sich sein Engagement nicht mehr wegdenken, zu sehr schlägt sein Herz für die Menschen und ein lebenswertes Leben für jeden. Helfen, wo Hilfe gebraucht wird, ist für ihn keine Frage. Vertrauen sei Ehrensache und jeder Geflüchtete kann sich darauf verlassen, dass Vertrauliches bei ihm wie dem gesamten Team vertraulich bleibt. Doch Vertrauen müsse man sich erarbeiten.
Die Flüchtlingsströme haben inzwischen abgenommen, die Arbeit der Flüchtlingshilfe nicht. »Mittlerweile haben beispielsweise junge Leute, die zu uns gekommen sind, eine Ausbildung begonnen. Oft fehlt es an Wissen in den Fächern Mathe oder Deutsch. Dann sucht er mit ihnen nach Netzwerken, die nachhelfen können.
Fünf Familien betreut Klaus Köhn im Schnitt gleichzeitig. »Aber planbar ist das nicht«, sagt er. Und wenn dann das Telefon klingelt und eine weitere Familie Hilfe braucht, ist er da. Auch in Zeiten von Corona, doch da lief es erstmal anders. Per WhatsApp hält er Kontakt zu seinen »Schützlingen«. Einmal in der Woche schickt er ihnen zudem eine Geschichte zum Lesen und Hören. Klaus Köhn liest selber vor, nimmt selber auf und schickt sein Werk an seine Kontakte. »Lesen und gleichzeitig hören hilft beim Erlernen der Sprache«, sagt er. Aktuell hat er das Buch ausgesucht: »Mama Superstar – Elf Porträts über Mut, bedingungslose Liebe und kulturelle Vielfalt«, von Melisa Manrique. Erzählt werden Geschichten von elf Müttern aus neun verschiedenen Ländern.
Inzwischen wurde die Betreuung in den Unterkünften wieder aufgenommen. Da Corona-bedingt viele Behördentermine nicht persönlich erfolgen können, sind Klaus Köhn und das Team gefragt.
Gern teilt er seine Zeit zudem mit den eigenen Enkeln. »Dann gibt es den Opa-Tag«, sagt er voller Stolz. Zudem liebt er, zu reisen. »Ich habe schon viel von der Welt gesehen«, so Köhn. Im letzten Jahr sei er auf Mauritius gewesen. Mit Freunden macht er sich dann auf den Weg, neue Flecken auf dem Erdball zu erkunden. Zur Zeit sei das leider nicht möglich.