Menschen bei uns
»Sich die Weite im Denken bewahren und im Glauben getragen fühlen.«
, von Christa Möller
Reinbek – Ihr Büro sieht noch etwas provisorisch aus, erst seit Anfang November ist Pastorin Bente Küster in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Reinbek-West am Täbyplatz im Einsatz. Sie hat das Amt von Pastorin Ursula Wegmann übernommen, die die Gemeinde nach dem Weggang von Pastorin Barbara Schöneberg-Bohl vertretungsweise betreut hatte.
»Ich bin sehr Ostsee-verbunden«, erzählt Bente Küster. Die gebürtige Kielerin ist in Heikendorf in einem Pastorenhaushalt aufgewachsen, »direkt am Meer«, als jüngstes von drei Kindern. Später hat sich die Familie noch um einen Pflegebruder aus Paraguay erweitert. Sie sei in der Kirchengemeinde groß geworden, sagt sie mit Blick auf Kindergottesdienste und Jugendgruppen. Als sie 15 war, zog die Familie nach Preetz.
Mit 16 Jahren ging sie zum ersten Mal von zu Hause weg, für ein Jahr in den Bundesstaat Mato Grosso, den »Wilden Westen« Brasiliens. »Es war toll zu sehen, wie man in eine Welt kommt, die einem so völlig fremd und verschlossen ist und wie sich diese Welt so langsam öffnet und Menschen zu Freunden werden, die man vorher nicht verstanden hat«.
Nach dem Abitur in Preetz entschied sie sich für ein Studium Generale am Tübinger Leibniz Kolleg. »Das möchte ich allen Abiturienten, die nicht wissen, was sie machen sollen, ganz doll ans Herz legen«, sagt sie, denn dort können alle Studienrichtungen ausprobiert werden. »Man muss keine Scheine machen, bekommt keine Noten, kann frei entscheiden, was einen interessiert.« Sie favorisierte zunächst Germanistik und Kulturwissenschaften, hat dann jedoch gemerkt, dass sie die Fragen der Theologie am meisten bewegt haben: »Der Sinn des Lebens, wovor haben wir Angst, existenzielle Fragen, die Zukunft der Kirche, dass wir eine gute Botschaft haben.« So studierte sie in Münster Theologie, nutzte dann die Möglichkeit, nach Berlin zu wechseln. »Es war spannend zu sehen, wie Kirche dort funktioniert, wo die Kirche nicht in der Mitte des Dorfes steht.«
Später studierte sie in Buenos Aires in Argentinien, wo sie in Menschenrechtsorganisationen mitarbeitete. Die Parallelwelten, der Reichtum einerseits und die Armut andererseits und die in Südamerika entstandene Befreiungstheologie beschäftigen sie: »Weniger hierarchisch denken, wie die Bibel etwas sein kann, was uns hilft. Handeln, helfen, sich einbringen, dass man politisch sein muss.« Tief beeindruckt habe sie, dass die Argentinier aus ihrem Glauben heraus handeln.
Im Studium ist sie viel gereist und hat Praktika gemacht, unter anderem im interreligiösen Dialog in Israel und Palästina hat sie mit Erschrecken gesehen, wie unfrei die Menschen in der West Bank leben. »Da ist mir deutlich geworden, wie wir hier leben können: Offene Grenzen, dass wir fahren können, wohin wir wollen. Das ist etwas, das wir bewahren müssen«, betont die 33-Jährige, die sich in Argentinien mit der Aufarbeitung der Militärdiktatur befasste und später mit der kommunistischen Diktatur in der DDR. Ein Praktikum dazu machte sie bei der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur. Zu diesem Thema hat Bente Küster auch ihre Examensarbeit geschrieben und gesehen, dass es in unterschiedlichen Gesellschaften ganz ähnliche Fragen gibt – und Dinge, die zwischen den Menschen stehen.
Nach dem Examen in Hamburg hat sie drei Monate in Tansania mit Massai zusammengelebt. »Ihr Gottvertrauen hat mich geprägt.« Es sei wichtig, sich dem Leben zu stellen, aber auch Fragen zu Sterben und Tod.
Ganz andere Einblicke bot das Vikariat in Langenhorn, »in einem Stadtteil multikulturell und gutbürgerlich.« Zwei Jahre lang war sie danach als Pastorin in Bad Schwartau, bevor sie jetzt nach Reinbek kam, wo sie mit ihrer Familie lebt. Ihr Mann Benjamin ist Lateinlehrer.
Und sie beobachtet ihr neues Wirkungsfeld. »Die Kirche als Anlaufpunkt für Menschen, die nicht von sich aus kommen, das funktioniert in Reinbek-West mit der Suppenküche und dem Kirchentisch«. Ihre Idee: »In Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten und Schulen könnten beispielsweise Angebote geschaffen werden, die Eltern und Kinder ansprechen und sich in den Alltag integrieren lassen wie etwa die Abendkirche, wo die Kinder zur Ruhe kommen könnten.« Und sie hat Pläne: »Ich habe große Lust, Familienarbeit zu machen«, sagt die junge Mutter zweier Töchter, drei Jahre bzw. sieben Monate alt, sie würde sich wünschen, dass Kirche für Kinder und Jugendliche zum Zuhause werde. Im Rahmen der interreligiösen Öffnung könnten Rituale wie Fastenbrechen oder die Ostertradition zusammen mit Muslimen gestaltet werden.
Ein Bibelvers steht für Bente Küsters Lebensmotto, sich die Weite im Denken zu bewahren und sich im Glauben getragen zu fühlen: »Du stellst meine Füße auf weiten Raum.« In ihrer knappen freien Zeit liest sie gern und hat Spaß am Reisen. Während der Elternzeit war die Familie zwei Monate mit dem Wohnmobil durch Frankreich und Spanien unterwegs. »Das Ursprüngliche ist genau das, was mich reizt, dass man nicht so richtig planen muss, was passiert am nächsten Tag, dass man vieles auf sich zukommen lassen, die Routine durchbrechen und andere Perspektiven einnehmen kann. Ich bin gern spontan, werde gern überrascht«, verrät sie.