Menschen bei uns
»Bei der Teezeremonie lasse ich meine Seele baumeln«
, von Denise Ariaane Funke
Mit der japanischen Kultur kennt sich Daniel Bielenstein bestens aus. Mehrere Jahre war er in Bonn als Korrespondent für eine große japanische Zeitung mit einer Tagesauflage von 13 Millionen tätig. »Die Arbeit hat unheimlich viel Spaß gemacht und wurde wahnsinnig gut bezahlt«, berichtet der Journalist, dem damals viele große Persönlichkeiten aus der Politik und Wirtschaft begegnet sind.
Unter seinem Pseudonym Jakob M. Leonhard ist wiederum die Comicbuchreihe »Kings of Chaos« entstanden. Das M. steht für Musashi, dem berühmtesten Samurai Japans. »Der Name hat natürlich nichts mit der Jugendbuchserie zu tun, ich fand ihn nur cool«, berichtet der Schriftsteller, aus dessen Feder mittlerweile rund 20 Bücher stammen.
Bis in den Playboy hat Bielenstein es schon gebracht. »Blank ziehen« musste er dafür aber natürlich nicht. Der Hype um sein wohl bekanntestes Buch »Die Frau fürs Leben«, mit dem er im Jahr 2003 für Furore sorgte, bescherte ihm den ganz großen Durchbruch auf dem Büchermarkt. »In einer Zeit in der beispielsweise Hera Lind angesagt war, waren Liebesromane aus Männersicht eine Marktlücke, die ich schloss. Bei meiner ersten Lesung waren etwa 70 Journalisten dabei. Ich war damals ja noch blutiger Anfänger und wusste nicht, ob das normal ist oder nicht«, schmunzelt der gebürtige Rheinländer, der einen großen Teil seiner Kindheit in Tokio verbracht hat. Sein Bruder und er besuchten dort zwar die deutsche Schule, tobten aber mit den einheimischen Kindern auf der Straße und tauchten so in die Tiefen der japanischen Gesellschaft ein. »Es waren sehr glückliche Jahre. Kleine Kinder werden in Japan wie Kaiser verehrt, erst wenn sie in die Schule kommen, beginnt der Drill«, resümiert Bielenstein. »Die Kindheit in Japan, aber auch mein sehr tolerantes Elternhaus haben mich fürs Leben geprägt«, sagt er.
Der Vater war für die Friedrich-Ebert-Stiftung tätig, die Mutter arbeitete wiederum als Redakteurin beim Deutschlandradio. Die Familie zog, was damals unüblich war, in ein rein japanisches Wohnviertel.
»Japan ist ein Land, das funktioniert. In Deutschland funktioniert hingegen einiges nicht mehr«, stellt Daniel Bielenstein fest. »Das merkt man besonders, wenn man gerade aus Japan zurückkommt. Die Deutschen haben ein falsches Bild von sich. Deutschland verlottert. In den Bahnhofsunterführungen stinkt es nach Urin, Wände sind vollgesprayt. In Restaurants muss man über 30 Minuten warten und oft bekommt man eine unhöfliche Antwort auf eine Frage. Das alles ist in Japan undenkbar«, berichtet der Japankenner, der Japanisch fließend spricht und auch die Schrift beherrscht, von seinen Erfahrungen. »Wenn man in Japan ist, ist es manchmal aber besser so zu tun, als ob man die Sprache nicht versteht. Als Tourist genießt man Narrenfreiheit, man ist halt der ungehobelte Ausländer«, schmunzelt der Wahlreinbeker. »Die Japaner sind sehr traditionsbewusst und ordentlich. Sie gelten als die Preußen Asiens«. Nach Japan reist er immer noch gern. »Leider viel zu selten«, bedauert er.
Bielenstein lebt so häufig als möglich japanische Tradition. So ist er beispielsweise Teemeister. »Ich liebe die Teezeremonie. Die kann je nachdem, ob ein Essen dabei ist oder nicht, von 30 Minuten bis über einige Stunden dauern. Bei der Teezeremonie lasse ich meine Seele baumeln, sie ist Entspannung pur«, ist er des Lobes voll.
Im nächsten Jahr möchte Daniel Bielenstein seinem Herzensland wieder einen Besuch abstatten.