Oliver Selke ist Gemeindewehrführer in der Stadt Reinbek
In der Ruhe liegt die Kraft
, von Christa Möller
»Wenn ich die Treppe hinaufgehe, freue ich mich«, sagt Oliver Selke. Denn im Gerätehaus der Oher Wehr hängen auf seine Anregung hin Fotos von Mitgliedern der Kinderfeuerwehr. Selkes Freizeit gehört zu einem großen Teil der Freiwilligen Feuerwehr: Er ist als Ortswehrführer in Ohe aktiv und wurde 2012 außerdem stellvertretender Gemeindewehrführer der Reinbeker Wehren. Seitdem er 2017 ihr Chef wurde, gebe es Wochen, in denen er jeden Abend für die Feuerwehr unterwegs sei, sagt er. Mal sei etwas im Büro zu tun, mal stehe eine Besprechung im Rathaus an, mal sind es Einsätze. »Abgesehen davon, dass auch nachts der Pieper geht und alle aufweckt.« Doch für seine Familie sei das kein Problem, denn Ehefrau Melanie (36) und seine beiden Söhne Rick (16) und Tim (11) stärken ihm den Rücken. »Meine Frau ist in einer Feuerwehrfamilie aufgewachsen und wusste, worauf sie sich einlässt.« Er könne sehr gut in Hektik arbeiten, sagt der Oher. Sein Motto jedoch: »In der Ruhe liegt die Kraft.«
Schon als kleines Kind war es sein sehnsüchtigster Wunsch, zur Feuerwehr zu gehen – nicht zuletzt wegen der tollen roten Autos. Mit zwölf Jahren durfte Oliver Selke dann endlich in die Jugendwehr in Reinbek eintreten, wo er bald Jugendgruppenleiter wurde. Mit 16 wechselte der gebürtige Reinbeker, der in Ohe aufgewachsen ist, in die aktive Wehr in Ohe, wo er mit 18 zuständig für die Versorgung der Mannschaft war. Nach dem Realschulabschluss in Reinbek hatte er sich für eine Ausbildung zum Speditionskaufmann bei einer Hamburger Firma entschieden und anschließend seine zehnmonatige Bundeswehrzeit bei der Luftwaffe in Rendsburg »abgesessen«. Ein wenig aufregender war ein Einsatz im Kosovo-Krieg, wohin er mit einem Spähtrupp in einer Transall-Maschine geflogen ist. Positiv bewertet er beim Bund die Kameradschaft »wie bei der Feuerwehr, da fühle ich mich sehr wohl.«
Seine Kontakte nutzte er, um für die Feuerwehr-Freizeitkleidung zu organisieren, Caps und Kapuzenjacken, die er besticken ließ. Beruflich wechselte er zu einem Glinder Unternehmen, das weltweit in der Milchwirtschaft tätig ist. Als die Firma nach 15 Jahren ihren Standort nach Gallin verlagerte, suchte er sich eine neue Stelle als Speditionskaufmann in Reinbek.
Bei der Wehr in Ohe war er gemeinsam mit weiteren neuen Mitgliedern gleich richtig integriert. »Wir haben die Feuerwehr verjüngt und schon damals angefangen, die Wehr so umzugestalten, dass alle Altersgruppen etwas davon haben. Wir hatten Ideen und ich habe das einfach umgesetzt.« Mit 23 kam er als stellvertretender Gruppenführer in den Vorstand, 2005 wurde er Wehrführer. »Olli, du musst das machen«, hatten die Kameraden gesagt und ihn überredet. »Damals waren wir 36 Leute, heute sind wir 60«, freut er sich über die gute Resonanz auf die Mitgliederwerbung.
Seinen ersten Großeinsatz hat Oliver Selke noch gut in Erinnerung: 2006, mit sieben Wehren, beim Brand des Strohlagers in Sachsenwaldau. Und nicht nur diese Bilder sind immer noch da. Nach schwierigen Einsätzen hilft ihm oft ein Kamerad, der als Pastor in der Oher Wehr und in der Feuerwehrseelsorge im Kreis Stormarn aktiv ist.
Nicht immer einfach ist die Koordination der drei Ortswehren Alt-Reinbek, Schönningstedt und Ohe. Aber »wenn die eine einen Vorteil hat, hat die andere keinen Nachteil«, betont Selke, dem es wichtig ist, nicht im Streit auseinanderzugehen. »Wir bringen die Wehr nach vorn«, sagt er mit Blick auf seine beiden Stellvertreter, die ihn tatkräftig unterstützen. 500 Einsätze zählen die Reinbeker Wehren im Jahr, in Ohe sind es 120. »Aber ich bin bei weitem nicht bei allen dabei.« Das ist mit seinem Beruf nicht zu vereinbaren, seitdem er von seiner früheren Firma zurückgeholt wurde. Jetzt ist er in leitender Position in Gallin in der weltweiten Logistik tätig. Organisatorische Einzelheiten in Sachen Feuerwehr klärt er seither gern telefonisch auf dem Arbeitsweg. »Aber bei einer Großschadenslage komme ich auch aus Gallin zum Einsatz.«
Alle drei Ortswehren haben zur Zeit ausreichend Mitglieder, »gegen den Bundestrend.« Weil sich das aber schnell ändern kann, steht nach wie vor Mitgliederwerbung an, auch wenn der Platz überall knapp ist. Doch Abhilfe ist in Sicht, in Reinbek, immerhin der größte Standort der Freiwilligen Feuerwehr in Stormarn, soll es einen Neubau geben und auch für Schönningstedt und Ohe steht eine Überplanung an. »Ich bin zuversichtlich, dass wir da weiterkommen«, sagt der Wehrführer. »Mein Credo ist, sich keinesfalls auf dem Erfolg ausruhen.«
Vorbilder hat Oliver Selke übrigens nicht. »Ich hatte immer Ziele und habe selbst abgewogen, ist das gut oder schlecht.« Manchmal holt er sich allerdings Rat von anderen. Was ihn antreibt? Ganz klar, die Familie, mit der er seine kostbare freie Zeit verbringt. Oft kommt er erst nach Hause, wenn alle schon schlafen. Aber ein offenes Ohr findet er dennoch: Bei Luzi. Die schwarze Labradorhündin der Familie kommt selbstverständlich immer mit, wenn Ausflüge oder Urlaub an der See anstehen. Die Lübecker Bucht ist bevorzugtes Ziel, das Oliver Selke schon als Kind bei Familienferien mit den Eltern schätzen gelernt hat. Am Meer geht er gern spazieren und pflegt außerdem ein spezielles Hobby, das er mit Sohn Tim teilt: Schiffe gucken.
Kochen macht Oliver Selke auch Spaß, dabei kann er seine Kreativität entfalten: abwechslungsreich, mit frischen Zutaten. Ein spezielles Lieblingsgericht hat er aber nicht. Und dann sind da ja auch noch Haus und Garten, wo alle gemeinsam aktiv sind. Apropos Bewegung: »Sport war nie so mein Ding, außer Schwimmen.« Und das will er jetzt vermehrt angehen, sich mehr bewegen »und dafür brauche ich ein Ziel«, sagt er mit Blick auf das deutsche Feuerwehr-Fittness-Abzeichen im Schwimmen, das Kondition, Koordination und Kraftraining umfasst.
Der Feuerwehr verdankt der 41-Jährige einen engen Freund im finnischen Padasjoki: Niko Ara ist Wehrführer bei den dortigen Kameraden, mit denen bereits seit 1974 eine Partnerschaft besteht, es gibt regelmäßig gegenseitige Besuche. Selke war schon sechsmal dort. Und im nächsten Jahr will er mit seiner Familie nach Finnland reisen. »Finnland ist einzigartig« sagt er und schätzt das herzliche Miteinander, die Kameradschaft. In Finnland sei allerdings die Struktur der Feuerwehr anders, dort werde sogar mit dem Militär zusammengearbeitet.
Sein Bruder ist ebenfalls in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv, auch der Opa war in Ohe schon Feuerwehrkamerad und der Vater ist zwar lieber zur See gefahren, dafür aber im Oher Feuerwehrgerätehaus geboren – damals, als dort noch die Dorfschule untergebracht war. Denn im Stockwerk darüber lebten die Großeltern.