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»Nein«.

, von Hartmuth Sandtner

Krieg in der Ukraine. Ab wann darf man zu Friedensverhandlungen aufrufen? Wer darf zu Friedensverhandlungen aufrufen? Heribert Prantl, Kolumnist der Süddeutschen Zeitung, verweist in seinem Beitrag »Der Ernstfall« vom 11.2.2023 auf die 5-jährigen Friedensbemühungen, die schließlich den Dreißigjährigen Krieg zu seinem Ende brachten, aus denen wir heute lernen könnten. »Zu lernen ist, dass auch aus Aussichtslosigkeit Aussichten werden können. Zu lernen ist, dass Gesprächsbereitschaft wachsen kann. Zu lernen ist, dass Diplomatie sogar bei fortwährendem Krieg einen Frieden herbeiverhandeln kann.«

Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer haben die Petition »Manifest für Frieden« gestartet – bei Redaktionsschluss hatten über 466.000 unterschrieben – und für den 25. Februar, 14 Uhr, zu einer Demonstration in Berlin aufgerufen. Dürfen die das? Für die taz, lt. Kommentar von Jan Feddersen vom 12.2.23, »entblößen [sie] sich damit als amoralisch«. Das Manifest dürfe nicht heißen »Für den Frieden«, sondern »Für Unterwerfung«. Der Aufruf sei »so empörend falsch, weil er die Angegriffenen obszön moralisch ins Unrecht« stelle, so Feddersen. Und er setzt noch nach: »Und die Unterzeichner hätten „in puncto noch ganz bei Trost“ schon zuvor nicht mehr alles beisammen«. Unter den 69 Unterzeichnern finden sich die Namen von Dr. Franz Alt, Dr. Thilo Bode, Dr. Margot Käßmann, Prof. Christoph Butterwegge, Holger Friedrich, Prof. Gerhard Trabert . . .

Auch Jürgen Habermas plädiert mit einer umfangreichen Analyse in der Süddeutschen vom 15.2.23 für Verhandlungen und registriert, dass gegenüber dem »bellizistischen Tenor einer geballten veröffentlichten Meinung [...] das Zögern und die Reflexion der Hälfte der deutschen Bevölkerung« nicht zu Worte kommt. Dass nur die Ukraine über die Möglichkeiten von Verhandlungen entscheiden solle, ist für ihn »inkonsistent und verantwortungslos.« Dazu erinnert er die westlichen Regierungen an »rechtliche Verpflichtungen gegenüber den Sicherheitsbedürfnissen der eigenen Bürger.«

Wagenknecht und Schwarzer verweisen auf »über 200.000 Soldaten und 50.000 Zivilisten«, die im Krieg bereits gestorben seien. Dazu zitieren sie den höchsten Militär der USA, General Milley, dass »der Krieg nur am Verhandlungstisch beendet werden kann.« Und Schwarzer/Wagenknecht fragen: »Warum dann nicht jetzt?« Weil der »große Kommunikator«, wie Kurt Kister, Ex-Chefredakteur der Süddeutschen, in seinem Beitrag »Wir können offen reden« in der SZ vom 11.2.23 Wolodimir Selenkij nennt — der aus Kisters Sicht »eine Art Eskalationsdominanz gegenüber den parteiischen Nicht-Kriegsparteien im Westen« bildet – noch weitere Waffensysteme geliefert bekommen möchte? Kister: »Allerdings könnte auch Putin weiter eskalieren, im schlimmsten Fall mit dem Rückgriff auf taktische Nuklearwaffen. Dies auszusprechen ist keine Aufforderung zum Appeasement. Man muss sogar beim jetzigen Stand der Dinge offen darüber reden, was sein könnte.« Wer meine – so Kister – so eine Debatte würde nur Russland nützen, »fördert nicht die Sicherheit [...] des Westens.«

In seinem mit »Spezialoperation« überschriebenen Beitrag in DIE ZEIT vom 2.2.2023 über Putin und seine Einstellung zum homosexuellen Leben, sieht der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew in Russland »die Entwicklung einer staatlichen Ideologie im Gange«, nach dem Motto »das Unsrige ist gut, alles andere gehört eingegraben in die Erde«. Aber wir in Deutschland sind auch nicht gefeit vor der Entwicklung von wie auch immer genannten Ideologien. In Erinnerung an den Kriegsbeginn 2022 soll am 24. Februar, zwischen Münster und Osnabrück, den beiden Städten des Friedensschlusses des 30-jährigen Krieges (am 24.10.1648) – organisiert vom Friedensforum Münster und der Osnabrücker Friedensinitiatve – eine 50 km lange Friedenskette gebildet werden. Wie Heribert Prantl schreibt, ist die Osnabrücker Oberbürgermeisterin Katharina Pötter (CDU), in der Friedenskette dabei. Nicht jedoch der Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe (CDU). Prantl: »In ihren Erklärungen eiern die Parteien in Münster herum, wohl aus Angst davor, dass schon das Wort Friede als Distanzierung von der Ukraine verstanden werden könnte«.

Cornelius Friesendorf, Friedensforscher am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, im Interview mit der Rheinischen Post am 17.1.23, auf die Frage »Wären Verhandlungen mit Putin überhaupt noch denkbar?« sagt: »Gute Politik besteht darin, Verhandlungen mit niemandem auszuschließen. Möglicherweise wird Putin in Russland noch sehr lange an der Macht sein. Schließlich gibt es weiter die Gefahr einer Eskalation zum Nuklearkrieg.«

Jakob Augstein fragt im der Freitag vom 9.2.23 im Interview mit dem Grünen Politiker Anton Hofreiter  –  überschrieben »Grüner Pazifismus ist nicht gewaltfrei«: »US-Generalstabschef Mark Milley hat im November der Ukraine einen Verhandlungsfrieden empfohlen. [...] Er hat an den Ersten Weltkrieg erinnert: Auch damals hätten die Kriegsparteien den Zeitpunkt für einen Friedensschluss verpasst, viele unnötige Opfer seien die Folge gewesen. Verstehen Sie diesen Vergleich?«

Anton Hofreiter: »Nein.«

Jürgen Habermas stellt fest: »Und für die Regierung Biden tickt die Uhr.«

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