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Armut ist die schlimmste Form von Gewalt. (Mahatma Gandhi)
, von Hartmuth Sandtner
»In unserer Gesellschaft gibt es nicht nur Rassismus und Sexismus, es herrscht auch eine Art Klassismus. Menschen aus den unteren Schichten werden systematisch benachteiligt. Manche werden entscheiden müssen: Friere ich und esse genug? Oder friere ich nicht und verzichte auf Essen?« Zu dieser Einschätzung kommt Gerhard Trabert (66), Notfallmediziner und Prof. für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie an der Hochschule Rhein-Main. Er betreut mit seinem »Arztmobil« wohnungslose Menschen in Mainz, auch wenn sie nicht krankenversichert sind.
In einem Interview in der Süddeutschen vom 29.8.2022 fordert Prof. Trabert, der als Parteiloser von der Partei Die Linke für die Wahl des Bundespräsidenten Anfang des Jahres als Kandidat präsentiert wurde, der Bundespräsident solle einen Gipfel zur Armutsbekämpfung einberufen. »Wir haben das Geld, wir sind ein reiches Land, wir können handeln. Wenn wir es trotzdem nicht tun, dann ist das auch eine Form von struktureller Gewalt.« Dazu zitiert er Mahatma Gandhi. »Wenn Herr Lindner von Gratismentalität spricht, wie jetzt beim Neun-Euro-Ticket, dann diffamiert er Menschen mit weniger Geld.«
Prof. Trabert vermisst in Deutschland eine politische Stimme der Armen und sieht die Entscheidungsträger weit weg von der Lebensrealität vieler Menschen und einen verheerenden Winter voraus. »Wenn jetzt nichts kommt, was den Menschen wirklich hilft, wenn die Menschen nichts mehr zu verlieren haben und viele sind genau an diesem Punkt, dann werden sie auf die Straße gehen.«
Trabert sieht die Partei Die Linke als die politische Stimme der Armen in Deutschland. »Von SPD und GRÜNEN bin ich in dieser Hinsicht schon lange enttäuscht, und über CDU und FDP brauchen wir gar nicht zu reden.« Aber Die Linke sollte sich verbünden mit NGOs, mit Armutskonferenzen und mit Betroffenen-Initiativen, so seine Empfehlung. Und er hofft auf eine klare Stellungnahme des Bundespräsidenten zur Politik des Finanzministers, »wenn der eine Politik macht, die 15 Millionen Menschen und wahrscheinlich noch mehr in die Armut und die Ausgrenzung führt.«
Wenn Christian Lindner meint, der Staat könne das nicht alles bezahlen, dann hat Gerhard Trabert eine klare Antwort: »Das ist Nonsens. Es ist genug Geld da, und außerdem gibt es Instrumente wie die Übergewinn-, die Vermögen- und die Erbschaftssteuer. Zudem hängen, wie jetzt die aktuelle Club of Rome-Studie darlegt, Klimakrise und soziale Krise zusammen. Der Anfang letzter Woche vorgestellte »Earth for All – ein Survivalguide für unseren Planeten« fordert daher eine weltweite Armutskehrtwende, da sonst »im Jahr 2030 bis zu 600 Millionen Menschen von extremer Armut betroffen sein könnten, wenn die Wirtschaft zum Business as usual zurückkehrt«. Die Regierungen müssten fünf Ziele anpeilen: »Beendigung der Armut, Beseitigung der eklatanten Ungleichheit, Ermächtigung der Frauen, Aufbau eines für Menschen und Ökosysteme gesunden Nahrungsmittelsystems und Übergang zum Einsatz sauberer Energie«.
Johan Rockström, Leiter des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Mitautor der aktuellen Studie: »Als viertgrößte Wirtschaftsnation der Erde müsse Deutschland vormachen, dass die Trans-formation gelingen könne«. Hannes Koch zitiert dazu in der taz vom 30.8.22 Jorgen Randers, der 1972 schon an den »Grenzen des Wachtums«, des ersten Berichts des Club of Rome mitgearbeitet hatte: »Die Reichen müssen die Rechnung zahlen.« Damit meint er die obersten »zehn Prozent« der Bevölkerung, die national und global etwa die Hälfte aller Einkommen auf sich vereinen. Die ökonomische Elite müsse ungefähr ein Fünftel ihrer Einkommen und Vermögen abgeben, damit Sozialpolitik und Klimaschutz finanziert werden können.
In seinem aktuellen Buch »2052. Der neue Bericht an den Club auf Rome« hält Jorgen Randers übrigens auch 20 persönliche Ratschläge für seine Leserinnen und Leser bereit. Nr. 11: Raten Sie Ihren Kindern, Mandarin zu lernen. Nr. 14: Investieren Sie in Dinge, die robust gegen soziale Unruhen sind.